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Mathematik

Prof. Albrecht Beutelspacher von der Fakulät für Mathematik der Universität Gießen schreibt in seinem Buch ,,In Mathe war ich immer schlecht...''[1]:

,,Der berühmte englische Mathematiker G.H. Hardy (1877 - 1947) vertrat prononciert die Meinung, daß die Schönheit der eigentliche Maßstab für die Mathematik sei. In seiner Autobiographie A Mathematician's Apology schreibt er: ,, Ein Mathematiker schafft, ähnlich wie ein Maler oder ein Dichter, Strukturen (patterns) ... Die Strukturen, die ein Mathematiker schafft, müssen so wie die der Maler und Dichter schön sein ... Schönheit ist der erste Test: Für häßliche Mathematik gibt es keinen dauerhaften Platz auf der Welt.''

Warum begründen Mathematiker ihr Tun mit ästhetischen Kategorien? In anderen Bereichen ist das nicht so, da gibt es eindeutige und einfach zu überprüfende Erfolgskriterien. Im Sport kann man zwar auch von Schönheit sprechen, aber die besten Sportler sind nicht die, die schön spielen, sondern diejenigen, die Erfolg haben. [...]

Wenn man Mathematiker fragt, weshalb sie einen Satz oder einen Beweis für wichtig oder bedeutend halten, antworten sie entweder sofort oder nach einiger Zeit mit ästhetischen Kategorien, indem sie Wörter wie schön, attraktiv oder sogar elegant benutzen. [...]

In der Mathematik scheint es so zu sein, daß Schönheit eng mit Einfachheit zusammenhängt. Manche gehen so weit, diese beiden Begriffe zu identifizieren: Schönheit = Einfachheit.

Auch hier beobachtete Penrose genauer. Seiner Meinung nach ist in der Mathematik nicht Einfachheit als solche schön, sondern vor allem unerwartete Einfachheit. Die Einfachheit muß überraschend sein, fast wie in einem Krimi von Hitchcock: Man denkt über ein Problem nach, das zunächst nicht allzu schwierig aussieht. Aber die Überlegungen zur Lösung werden schwieriger und komplizierter, keiner blickt mehr durch, man will schon aufgeben -- da, plötzlich, durch den richtigen Blick, wird alles ganz einfach! Obwohl das Problem zunächst kompliziert erschien, entpuppt sich die richtige Lösung als im Grunde einfach. Überraschend einfach.[...]

Die Zeitschrift ,,The Mathematical Intelligencer'' machte die Probe aufs Exempel und fragte in der Ausgabe 4/1988 ihre Leser nach den ihrer Meinung nach schönsten mathematischen Sätzen. Dazu gab es eine Liste von 24 Vorschlägen, die man mit Punkten 0 bis 10 bewerten konnte. Dabei sollte es weder um die Bedeutung oder Anwendbarkeit der Sätze, noch um die Qualität der Beweise gehen, sondern nur um die Schönheit der Sätze.

Natürlich gab es viele Einwände gegen diese Verfahren. Einige davon sind:

In der Ausgabe 3/1990 wurde das Ergebnis bekanntgegeben. Hier sind die Top Ten der mathematischen Sätze.
equation43
Dabei ist e (tex2html_wrap_inline171) die eulersche Zahl, i die imaginäre Einheit(tex2html_wrap_inline173), und tex2html_wrap_inline175 das Verhältnis von Umfang und Durchmeser eines beliebigen Kreises.
equation46
Dabei bezeichnet E die Anzahl der Ecken, K die Anzahl der Kanten und F die Anzahl der Flächen eines konvexen Polyeders.

[...]

Eines ist durch diese Umfrage jedenfalls klar geworden: Die Mathematiker haben keineswegs eine gemeinsame Meinung darüber, was Schönheit in der Mathematik ist. Und daher kann Ihnen niemand die Entscheidung abnehmen, welchen Satz Sie als schönsten empfinden.''

Obwohl es sicherlich ein wenig zu weit ginge, das Fach Mathematik den musisch-künstlerischen Fächern zuzurechnen, wird hier doch der Anspruch der Mathematik deutlich, eine gewisse Ästhetik zu beinhalten. Das Problem hierbei besteht nun darin, das auch im Unterricht zu berücksichtigen. Im Bereich Mathematik ist das sicherlich einfacher im Bereich der Sekundarstufe II, in der bereits einige Vorkenntnisse vorhanden sind und bereits einige interessante Probleme von den Schülern selbständig zu lösen sind. Als Beispiele seien hier die eigenständige Entwicklung des Schnittes von Ebenen im Bereich der linearen Algebra oder auch die ,,Entdeckung'' der Stammfunktionen zur Integralberechnung in der Analysis genannt. Solche Entdeckungen kosten allerdings Zeit.


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Thorsten Trippel
Wed May 28 12:30:18 MET DST 1997